Katastrophe in der Höhe

Autor: Dominik · Veröffentlicht am:

Windräder sprießen im ganzen Land aus dem Boden. Für Feuerwehren sind die Stromgiganten eine ganz besondere Herausforderung – und das aus verschiedenen Gründen.

Eine Frau befindet sich im niedersächsischen Landkreis Stade auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Auf ihrer Strecke passiert sie diverse Windräder. Der Rauch, der einen der gigantischen Stromerzeuger umgibt, schreckt die Frau auf. Sie hält mit ihrem Wagen an, steigt aus und nähert sich dem Windrad, soweit es ihr möglich ist. Da stellt sie fest: Der Rauch kommt aus der Windradgondel, dem zentralen Teil des Rades, hinter den Rotorblättern. Die Frau zückt ihr Handy und wählt die 112, die Feuerwehr rückt an – und steht vor einem Einsatz, der sich mit keinem anderen Szenario vergleichen lässt.

Für die Einsatzkräfte stellt sich die Frage: Was kann die Feuerwehr in so einem Fall überhaupt tun? Die Gondel einer Windkraftanlage befindet sich mitunter in respekteinflößenden 120 Metern Höhe. Um die Sicherheit von Einsatzkräften und Fahrzeugen zu gewährleisten, müssen die Feuerwehren zunächst einmal in sicherem Abstand parken - die Gefahr, dass Teile des brennenden Windrades herabfallen, ist einfach zu groß. Der Einsatzleiter lässt dann die Umgebung des Brandobjektes weiträumig absperren und stellt womöglich Postentrupps auf, die brennende Trümmer aufsuchen, wenn diese sich vom Windrad lösen und mit dem Wind Richtung Waldgebiete oder auf Wiesen getragen werden.


Wenig Möglichkeiten, geringe Chancen
Doch mit diesen Maßnahmen ist man beim Brand eines Windrades leider schon so ziemlich am Ende der Fahnenstange angekommen. Denn: Der Einsatz von Atemschutzgeräteträgern ist gleich aus mehreren Gründen nicht möglich. Der Offensichtlichste unter ihnen: Es gibt am Windrad keine Aufzugmöglichkeit. Die Einsatzkräfte müssten also unter Atemschutz in 120 Meter an Leitern in die Höhe steigen. Oben angekommen, hätten sie kaum noch Luft, um Löscharbeiten durchzuführen. Außerdem wären sie sehr großer Hitze ausgesetzt. Hinzu kommt die Unberechenbarkeit des Feuers in dieser Situation: Denn die Türe, die die Feuerwehrleute am Eingang des Windrades öffnen müssten, wirkt wie ein Kamin für das Feuer. Gut möglich also, dass die Flammen den Einsatzkräften plötzlich und rasend schnell entgegen kommen. Eine weitere Gefahr könnten die verbauten Starkstromleitungen sein. Deren Isolierung könnte bereits unter der Hitze geschmolzen sein, die hochgefährlichen Kabel lägen dann blank. Zusätzlich könnten abgebrannte Teile auch im Inneren des Turmes herabfallen und die aufsteigenden Einsatzkräfte verletzen.

Und auch ein Löschangriff von außen hat nur geringe Erfolgsaussichten: Bei 120 Meter Höhe muß der Maschinist mit mehr als 12 bar Druck fahren. Keine Pumpen und Schläuche sind für diese Leistung dauerhaft ausgelegt. Wie also soll das Löschwasser in eine solche Höhe kommen?
Mit einer Drehleiter schaffen es die Einsatzkräfte bis in eine Höhe von etwa 30 Metern – damit wäre nicht einmal ein Viertel der Turmhöhe erreicht.

Die Lösung heißt Vorbeugung
Die Erkenntnis der Einsatzleitung ist daher bitter: Den Feuerwehren bleibt nichts anderes übrig, als das Windrad kontrolliert abbrennen zu lassen. Der Fokus der Einsatzkräfte liegt jetzt also darauf, die Umgebung, Wälder und Wiesen vor einem Übergreifen der Flammen zu schützen. Das Windrad selbst aber können die Feuerwehrleute nicht retten. Um Brände in Windrädern so weit wie möglich auszuschließen, bleiben den Entwicklern daher nur technische Voraussetzungen. Mit ausreichendem Blitzschutz, mit effektivem ­Überspannungsschutz, mit Brandmelde­anlagen und Sensoren, die dafür sorgen, dass das Windrad im Brandfall sofort vom Netz getrennt wird. Hinzu kommt eine automatische Löschvorrichtung mit entsprechenden Löschmitteln oben in der Gondel, die das Feuer bereits in der Entstehung ersticken kann.



TÜV fordert mehr Kontrollen
Allerdings sind solche Maßnahmen für die Windradbetreiber sehr kostenintensiv. Diese Kostenlast könnte sich sogar noch erhöhen – zumindest, wenn es nach dem TÜV geht. Dieser fordert schon seit Längerem engmaschigere Kontrollen von Windkraftanlagen. Bislang müssen Anlagen, die nach 2004 errichtet wurden, alle zwei Jahre geprüft werden. Wenn die Betreiber saubere Wartungsarbeiten durchführen, kann dieser Zeitraum auch auf vier Jahre verlängert werden. Zu wenig, wie der TÜV-Verband Niedersachsen Anfang des Jahres kritisierte. „In der Praxis führt das dazu, dass die Sicherheit der neueren Windräder nur alle vier Jahre von unabhängiger Seite überprüft wird", sagte Verbandschef Joachim Bühler. Außerdem seien „zu Kompetenz und Unabhängigkeit der Sachverständigen“ keine konkreten Vorgaben vorhanden.

Opfer nur eine Frage der Zeit?
Für Windkraftanlagen, die vor 2004 erbaut wurden, gilt eine Richtlinie aus dem Jahr 1993 – und diese sieht sogar Überhaupt keine regelmäßig durchgeführten Kontrollen durch. Der TÜV schlägt also Alarm. Nach Ansicht des Verbandes ist es nur „eine Frage der Zeit, bis bei Windrad-Havarien Menschen zu Schaden kommen“. Daher, so der TÜV, müsse jetzt schnell gehandelt und ein engmaschigeres Kontrollsystem erarbeitet werden. Aus der Politik kommt dabei Gegenwind: Aus dem niedersächsischen Energieministerium etwa hieß es, es handle sich bei Vorfällen in älteren Anlagen um Einzelfälle. Die Betreiber der Windräder hätten selbstverständlich auch selbst größtes Interesse an der Funktionsfähigkeit und Sicherheit ihrer Anlagen. Und auch aus der Branche selbst kommen eher beschwichtigende Worte. Das Oldenburger Zentrum für Windenergierforschung etwa teilte mit, in Deutschland gäbe es 30.000 Windkraftanlagen – und im Durchschnitt gerade einmal vier Brände pro Jahr. Im Gegensatz dazu gebe es jährlich 40.000 Pkw-Brände. Für Feuerwehrleute ist der Unterschied jedenfalls riesig: Bei Windkraftanlagen können sie nicht viel mehr tun als den Energiegiganten kontrolliert abbrennen zu lassen. Bei einem Autobrand stehen den Einsatzkräften wesentlich mehr Gegenmaßnahmen zur Verfügung.



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