Seelsorge für Einsatzkräfte
Hilfe für Helfer
In den Feuerwehren wird immer offener mit dem Thema Psychische Belastung nach Einsätzen umgegangen. Eine gute Sache, findet Seelsorger Ralf Radix. Er ist Fachmann für Seelsorge beim Institut für Aus-, Weit- und Fortbildung der Evangelischen Kirche von Westfalen. Im 112grad-Interview spricht Radix über die Wichtigkeit der Seelsorge im Feuerwehralltag und darüber, welche Erlebnisse in Einsätzen oft besonders traumatisch sein können.
112grad: Herr Radix, in unserer Gesellschaft ist ein Trend zur Enttabuisierung von psychischen Belastungen und Problemen zu beobachten. Gerade unter freiwilligen Feuerwehrleuten können Erlebnisse im Einsatz mitunter traumatische Folgen haben. Findet Ihrer Erfahrung nach auch hier ein offenerer Umgang mit dieser Problematik statt?
Ralf Radix: Auf jeden Fall. Die Feuerwehren sind in den letzten Jahren sehr viel aufmerksamer gegenüber psychischen Belastungen der Einsatzkräfte geworden. In allen Ausbildungsgängen ist das Thema aufgenommen worden. In vielen Feuerwehren sind PSU-Teams (Anm. d. Red.: PSU = Psychosoziale Unterstützung) oder Einsatznachsorge-Teams selbstverständlich und werden auch genutzt. Auch die Feuerwehrseelsorge ist in vielen Feuerwehren fester Bestandteil.
Können Sie die wesentlichen Aufgaben der Seelsorge kurz beschreiben?
Die Feuerwehrseelsorge ist die Alltagseelsorge an Feuerwehrangehörigen. Die Kolleginnen und Kollegen begleiten Einsatzkräfte der Feuerwehren in Freud und Leid des Alltags. Darüberhinaus sind wir auch in die Nachsorge nach belastenden Einsätzen involviert. Der Verband der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen nennt als Aufgaben der Seelsorge unter anderem auch den regelmäßigen Kontakt zu den Einheiten der Feuerwehr, die Unterstützung der Feuerwehrleute bei persönlichen Problemen oder das Feiern von Gottesdiensten zu besonderen Anlässen. Außerdem sollen Seelsorger die Führungskräfte wenn nötig zusätzlich beraten, und nicht zuletzt sind wir auch dafür da, bei weitergehender Behandlung Fachkräfte zu vermitteln, die den Feuerwehrleuten weiterführend helfen können.
Aus welchen Gründen kommen Rettungskräfte in die Seelsorge? Gibt es „klassische“ Auslöser, die die Einsatzkräfte oft vor psychische Herausforderungen stellen?
Nein, klassische Auslöser für Einsatzbelastungen gibt es in dieser Form nicht. Untersuchungen haben aber ergeben, dass Einsatzkräfte psychische Belastungen nach Einsätzen mit Kindern und nach Einsätzen, bei denen nicht ausreichend Rettungsmittel zur Verfügung standen, am stärksten empfinden.
Erinnern Sie sich an Fälle in Ihrer persönlichen Laufbahn, die auch Sie persönlich an den Rand Ihrer Leistungsfähigkeit gebracht haben?
Auch in meiner Erfahrung als Seelsorger gab es bei mir nach Einsätzen spürbare psychische Belastungen, bei denen ich Unterstützung von Kolleginnen oder Kollegen in Anspruch genommen habe.
Hat die Seelsorge Ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren einen höheren Stellenwert unter Feuerwehrleuten bekommen?
Auf jeden Fall. Die Zahl der Einsätze für die Notfallseelsorge, alarmiert durch den Notarzt, den Rettungsdienst, einem Einsatzleiter oder der Polizei zur Betreuung der zivilen Bevölkerung nimmt jährlich zu. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Sensibilität bei den Einsatzkräften bezüglich der Notwendigkeit psychiosozialer Akuthilfe für Betroffene wächst.
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